HINTERGRUND 

Bis zu einer Million Frauen haben freiwillig in der Sowjet-Armee gegen Nazi-Deutschland gekämpft. Während des deutsch-sowjetischen Krieges, der am 22. Juni 1941 als „Unternehmen Barbarossa“ begann, töteten deutsche Wehrmachtseinheiten ungezählte, reguläre Soldatinnen der Roten Armee unmittelbar nach der Gefangennahme. Geistige Grundlage dieser Morde war der geläufige Schmähbegriff „Flintenweib“, mit dem die deutschen Invasoren die Rotarmistinnen stigmatisierten und semantisch aus dem Kreis der völkerrechtlich-geschützten Kombattanten ausschlossen. Die überlebenden Frauen wurden in ihrer Heimat dafür geächtet. Die Soldaten waren Helden, die Soldatinnen Huren.


„Auch Sie wollten die Heimat gegen den Faschismus verteidigen“
„Für die Nazis waren diese Soldatinnen ‚entartet‘ “ -Sonia Mikich


BEGRIFFSKLÄRUNG

Flin·ten·weib
/Flíntenweib/
Substantiv, Neutrum [das]SALOPP ABWERTEND
1.Frau, die eine Feuerwaffe trägt
2.Frau, deren kompromissloses Auftreten und deren [übersteigertes] Selbstbewusstsein als unangenehm empfunden werden

 

BESCHREIBUNG

FLINTENWEIBER, ein in Vergessenheit geratener Begriff, soll wieder aufgegriffen und in aktuellen Kontext gesetzt werden. Zu Zeiten in der rechtes Gedankengut großen Zulauf erfährt, sollte man an Menschen erinnern, die schon damals den Mut besaßen sich zu wehren.
Wir nehmen die Ausstellung als Anlass und Ausgangspunkt, um uns mit Frauenrollen und deren historischen und zeitgenössischen Wahrnehmung auseinanderzusetzen.
Gibt es eigentlich eine moralische Evolution der Menschheit? Gibt es Fortschritt, gibt es Hoffnung für uns? Die Künstlerinnen beschäftigen sich in ihrer Kunst mit Themen, die aktuell nicht brennender sein könnten. Wo stehen wir?
Zwischen Freiheit und Krieg, Gleichberechtigung und Gewalt, dieses Ausloten prägt die Werke. Dabei werden ihre Arbeiten immer wieder von einem Zeitstrahl durchglüht, der deutlich macht, dass unter aller Dringlichkeit ein ewiges Drama liegt.
Als Frauen mit unterschiedlichen Wurzeln (Deutschland, Ukraine, Russland, Weißrussland, Polen, Syrien, Frankreich, Österreich)  müssen die Künstlerinnen feststellen, dass sowohl feministische Errungenschaften, die im Europa des 20. Jahrhunderts mühsam erstritten wurden, genauso gefährdet sind, wie die Hoffnung, eines Tages Konflikte ohne Krieg und brutale Gewalt beilegen zu können. (Krieg in Europa, Abtreibungsgesetze in Polen, Aufstände in Frankreich, sexualisierte Gewalt, Kinderrechte ...)
Freiheit ist ein zerbrechliches Gut. Frieden an den wir uns in Deutschland im Laufe der letzten drei Generationen so sehr gewöhnt haben, dass er uns schon selbstverständlich erschien, kann platzen wie eine Seifenblase.

 

Text: Prof. Dr. Friedrich Welzin und Vereny Klary

Titelbild (Banner): ©Lisa Bergmann

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